Immer in Bewegung, so lautet die Jobbeschreibung von Wanderhosen. Tatsächlich sollte man sich das ins Bewusstsein rufen, wenn eine Neuanschaffung ansteht. Obwohl im Gesamtbild weniger prägnant, ist der Anspruch, oder besser, sind die Ansprüche beim Wandern an eine Hose noch deutlich höher als an die Jacke. Die Bewegungsamplitude der Beine ist größer als die der Arme, es entsteht also auch mehr Reibung, und das sowohl im Hosenbein als auch zwischen den beiden Beinen. Dazu kommt die Beugung im Knie, die zusätzlich für Bewegung des Textils gegen die Haut sorgt.
Hohe Ansprüche an die Wanderhose
Näher am Boden als Arme und Brust, kommt der Stoff der Wanderhose öfter in Berührung mit Felsen, Trittstufen, Schuhsohlen, Sitzgelegenheiten und so weiter, der Verschleiß ist ohne weitere Verstärkungen höher. Wanderhosen müssen wie Oberteile gut sitzen, nur können sie sich nicht auf die Schultern ablegen und leger nach unten hängen, eine zu weite Hose bringt deutlich mehr Komforteinbußen mit sich als eine zu weite Jacke.
In den Beinen sitzen die größten Muskelgruppen des Körpers, die sorgen je nach Gangart für Wärme. Das wiederum erhöht den Anspruch an die Durchlüftung und den Dampfdurchlass im Verhältnis zur Isolation und der Robustheit. Und als wären das nicht schon genug kaum vereinbare Ansprüche, soll so eine top Wanderhose auch noch Ausrüstung griffbereit aufnehmen können und am besten noch unauffällig kleidsam oder modisch schick sein.
Zwei grundlegende Wanderhosen
Mal abgesehen vom Einsatzzweck als leichter, luftiger Begleiter auf Tagestouren, stabiler und variabler Ausrüstungsgegenstand auf großer Wanderschaft oder als hochbeweglicher und robuster Partner auf Klettersteigen – es scheinen sich zwei Konzepte durchgesetzt zu haben, was Material und Passform angeht:
- Die Hose ist durchweg leger geschnitten, im Verhältnis etwas enger am Bund, damit sie ohne Falten und zusätzlichen Gürtel auf der Hüfte hält, dabei auch ohne Elastizität im Textil (fast) volle Bewegungsfreiheit lässt. Vorteil: Man zeigt nicht jedem die Silhouette seiner Beine oder die sportlichen Ambitionen.
- Der Schnitt ist eng, nahezu bis komplett körpernah, der Stoff dafür zwingend und durchgehend flexibel, er kann so neben der großen Bewegungsfreiheit den Schweiß direkt von der Haut aufnehmen. Vorteil: Taschen liegen dadurch immer am Bein an, der Inhalt baumelt nicht frei herum. Solch sportliche Schnitte und die oft einhergehenden knalligeren Designs mag aber nicht jeder.
Beinkleid ohne Zwiebelschicht
Diese Zweiteilung leuchtet ein, denn das A und O der Seilschaft Wanderer und Hose ist das Vermeiden von Druck und Reibstellen. Das lässt bei den restlichen Eigenschaften ein paar Freiheiten mehr, und das haben die Hersteller in unserem Test auch genutzt. Von der ultraleichten Sommerhose von Maloja über die „bürotaugliche“ Wanderhose von Montane bis hin zu den robusten fürs Gebirge von Fjällräven oder Jack Wolfskin wurde alles ins Rennen geschickt. Das ist klasse, denn das berühmte Zwiebelprinzip hat im unteren Körperteil seine Grenzen, lange Unterhosen passen gegebenenfalls platzmäßig nur schwer darunter, außerdem erhöht die zusätzliche Stoffschicht die interne Reibung, und die sollte ja möglichst gering bleiben. Von Second Layer wie unter der Jacke mal ganz zu schweigen. Selbst für weniger Ambitionierte ist es deshalb kein reiner Luxus, sondern absolut sinnvoll, zwei Paar Hosen oder sogar mehr im Schrank oder sogar im Rucksack zu haben.
Kleine Faustregel: Wie oben erwähnt, werden Hosen im Gegensatz zur restlichen Ausrüstung oft vernachlässigt. Um etwa auf dem gleichen Niveau der Jacke zu bleiben, sollte die Hose nicht weniger als zwei Drittel von deren Neupreis kosten.
Passform - Passform - Passform
Auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen: Der Sitz der Hose ist das mit Abstand wichtigste Thema beim Kauf der Wanderhose – das gilt auch in Verbindung mit der restlichen Ausrüstung. Es ist daher also absolut nicht spleenig, beim Händler mit Rucksack und Wanderschuhen aufzutauchen.
Bei unserer Recherche sind wir auf knapp über 50 kaufbare Hersteller von Trekking- und Wanderhosen gestoßen. Die Tabelle oben soll helfen, sich nicht mit dem kompletten Angebot beschäftigen zu müssen. Jeder weiß ja in etwa, wie er oder sie gebaut ist. Hier geht es eher um Tendenzen im Schnitt. Dazu haben wir versucht, etwaige potenzielle Problemstellen herauszuarbeiten. Die Schnitte sind aber nicht in die Bewertung eingegangen, Beine und ihre Formen sind eben sehr individuell.
Sehr wohl gewertet wurden Detaillösungen, besonders, wenn die zur Vermeidung von Druck und Reibstellen beitragen. Taschen und Halteschlaufen müssen anatomisch clever platziert werden, steifere Schutzzonen gegen Abrieb und Schnitte ebenfalls. Wetterschutz war im Test nur zweitrangig Thema, hauptsächlich, weil die Beine generell unempfindlicher sind, zum anderen, weil Resistenz gegen Wind und Regen das Textil meist unbeweglicher macht, was den Gehkomfort verringern kann. Hier musste also immer stark abgewogen werden.
Kauf- und Trage-Tipps
Die Wanderhose ist ein Teil der Ausrüstung, sie muss sich also mit den anderen Gegenständen „vertragen“. Hier liegt der Fokus auf eventuellen First Layern und vor allem dem Bund. Der Bund darf sich nicht mit dem Hüftgurt des Rucksacks ins Gehege kommen. Idealerweise sitzt die Hose an der Taille ohne zusätzlichen Gürtel, wenn doch nötig, sollte der möglichst flach sein und die Schnalle zwischen den Hüftflossen sitzen. Der untere Beckengurt-Rand sollte nicht auf dem Hosenbund aufsitzen, das verursacht unnötige Reibung. Der Rucksack sollte flächig und ohne störende Druckpunkte auf der Hose sitzen. Die Hosenbeine gleiten auf First Layern meist schlechter als auf Haut, das macht den Wanderer unbeweglicher. Kunstfasern sind hier sinnvoller bei eng sitzenden Kletterhosen, unter weiten Schnitten gehen auch wärmere Naturfaser-Layer. Rucksack und Unterwäsche ruhig mal zur Anprobe mitnehmen, damit Treppen steigen.
Im Artikel "Wanderhosen im Test" stellen wir dir 14 verschiedene Wanderhosen genauer vor.