Ist Bio beim Gas auch Öko?

Grüne Gasanbieter im Check – Über grüne Stromanbieter wird inzwischen in den Medien häufig berichtet, aber wie sieht es eigentlich beim Gas aus? Wer damit heizt, kocht oder sein Wasser erwärmt, kann seit Oktober 2006 den Anbieter frei wählen. Auch hier gibt es grüne, scheinbar grüne und weniger grüne Alternativen.

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Fairer Ursprung: Gülle wird teilweise als Biomasse für Biogasanlagen verwendet. Sie sollte jedoch nicht aus Massentierhaltung stammen. © pa/dpa

Text: Beate Wand

Im Zuge der Fukushima-Katastrophe wechselten viele zu Ökostrom. Auch bei den Anbietern grüner Gastarife steigerte sich die Nachfrage. Verglichen mit Heizöl ist Erdgas zwar klimafreundlicher, weil es sauberer verbrennt. Dennoch bläst ein Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden pro Jahr gut vier Tonnen Kohlen­dioxid in die Atmosphäre. Wie lässt sich diese Bilanz beim Gas aufbessern? Zwei Varianten dominieren das Angebot für umweltbewusste Kunden: Klima- und Biogastarife.

Mit knapp zwei Dritteln dominieren die Klimatarife den Markt. Sie funktionieren wie ein Ablasshandel: Die Energieversorger liefern konventionelles Erdgas, kalkulieren die daraus entstehenden CO2-Emissionen und kaufen von dem erhöhten Gaspreis so viele Emissionszertifikate wie nötig, um diese auszugleichen. Oder sie kompensieren den Ausstoß, indem sie zertifizierte Projekte zu regenerativer Energieerzeugung in Schwellen- und Entwicklungsländern fördern. Gasversorger wie zum Beispiel die Eon-Tochter „E wie Einfach“, Tchibo und viele örtliche Stadtwerke bieten derartige Tarife an. Am Energiemix in Deutschland ändert sich durch Klimatarife nichts. Bei Töchtern großer Energieversorger ist zudem zu bedenken, dass die Gebühren in die Taschen der Betreiber und Befürworter von Atomkraftwerken fließen.

Verschiedene Standards

Wie auch beim Strom lassen sich die Anbieter solch klimaneutraler Produkte vermehrt zertifizieren. Es existieren verschiedene internationale Standards mit eigenen Einheiten, die jeweils einer Tonne einge­spartem Kohlendioxid entsprechen: die von den Vereinten Nationen im Rahmen des Kyoto-Protokolls entwickelten projekt­basierten Mechanismen Clean Development Mechanism und Joint Implementation, der Standard VER+, der Gold Standard des WWF und der Voluntary Carbon Standard.

Die Anbieter von Biogastarifen ersetzen das Erdgas – je nach Vertrag – zu zehn, 20 oder 100 Prozent durch Biogas. Es stammt aus einigen der mittlerweile rund 7.100 Bio­gasanlagen Deutschland. Darin lassen sich sowohl Reststoffe als auch Energiepflanzen vergären. Bei den meisten Anlagen wird das entstandene Gas in einem benachbarten Blockheizkraftwerk in Strom und Wärme umgewandelt. Doch speisen manche auch einen Teil der Produktion nach einem Veredelungsprozess ins Gasnetz ein.

„Wir beliefern unsere Kunden mit echtem Biogas“, betont Oliver Hummel von Naturstrom. Der Geschäftsführer des Ökostrom- und Gasanbieters garantiert seinen Kunden, dass das Gas ohne Gülle aus Massentierhaltung und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen erzeugt wird. Zudem fließen pro Kilowattstunde 0,25 Cent in den Bau neuer Anlagen. Das Unternehmen sieht sich in der Verantwortung, auf eine nachhaltige Erzeugung von Biogas hinzuwirken. Doch sei eine gewisse Marktmacht erforderlich, um die Betreiber zu bewegen, in ihren Biogas­anlagen nur naturschutzverträgliche Substrate zu verbrennen.

Da Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen erzeugt wird, gibt es bei der Verbrennung auch nur die Kohlendioxid­äquivalente an die Atmosphäre ab, die ihr zuvor für das Pflanzenwachstum entzogen wurden. Es hat also eine saubere Klima­bilanz. Doch ist das Klima nur ein Aspekt der Ökologie. Und für die Artenvielfalt, den Boden- und Grundwasserhaushalt sowie für das Landschaftsbild bringt der mit dem Biogas-Boom einhergehende Zuwachs an Energiepflanzen auf unseren Feldern Probleme mit sich. Außerdem stellt sich – wie schon bei der Diskussion um Biosprit – die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, Nahrungsmittel zu verheizen.

Durch den massiv gestiegenen Anbau von Mais als Substrat für Biogasanlagen werden Wiesen und Weiden hierzulande dramatisch reduziert. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) warnt vor den Folgen: Tier- und Pflanzenarten verschwinden, Böden und Grundwasser werden durch die intensive Düngung zunehmend vergiftet, und wir alle müssen öde Monokulturen erdulden, in denen kein Vogel mehr zwitschert. Steht der Maisacker auf ehemaligem Grünland, ist sogar die Klimabilanz des Biogases hin: Gräser binden viel Kohlenstoff. Beim Umbruch von einem Hektar Grünland entweichen 20 bis 35 Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre.

Nutzung von Biomasse sinnvoll

Die Naturschützer unterstreichen jedoch, dass die energetische Nutzung von Biomasse nachhaltig und sinnvoll sein kann: wenn Genpflanzen tabu sind, Böden nicht überdüngt werden, wenn dauerhafte Kulturen angebaut werden, die zu den Lebens­bedingungen am Standort passen, und wenn bislang ungenutzte Reste aus Pflegeschnitten genutzt werden. Naturnahe Wälder und kohlenstoffreiche Gebiete wie Feuchtgebiete und Torfmoore müssen unbedingt von dem Anbau von Energiepflanzen verschont bleiben.

Lichtblick, der Energieversorger mit den meisten Ökostromkunden in Deutschland, offerierte im Oktober 2007 als erster Öko-Anbieter einen Gastarif. Er garantiert den mittlerweile 80.000 Abnehmern im Jahresmittel fünf Prozent beigemischtes Biogas, das zu 56 Prozent aus Abfällen und Reststoffen, zu 39 Prozent aus Getreide und Mais sowie zu fünf Prozent aus Gülle hergestellt wird. Wie auch Naturstrom versichert Lichtblick, das Biogas nur aus Anlagen zu beziehen, die auf Gülle aus Massentierhaltung und gentechnisch veränderte Pflanzen verzichten. Gänzlich ohne Energiepflanzen kommen die Klimakönner aus Greven im Münsterland aus. Ihr Gas stammt zu 100 Prozent aus Abfallstoffen der Lebensmittelindustrie, der Gastronomie sowie aus Bio-Müll. Neben der Zehn- und 30-Prozent-Variante bietet das junge Unternehmen wie auch Naturstrom einen 100-Prozent-Tarif an, der die Kunden mit purem Biomethan beliefert. Auch die Münchener Polarstern GmbH bietet einen reinen Biogastarif an; so ist er zumindest auf dem Energievergleichsportal Verivox (www.verivox.de) kate­gorisiert. Allerdings steht die erzeugende Anlage bei einer Zuckerfabrik in Ungarn. Das aus Zuckerrübenresten erzeugte Biogas fließt dort im lokalen Firmennetz. In ihrer Energiebilanz gibt die Fabrik an, fossiles Erdgas zu verbrauchen. Das eingesparte Kohlendioxid wird – vom TÜV Nord geprüft – auf Deutschland übertragen. Also doch eher ein auf einer Form von Emis­sionshandel basierender Klimatarif. Einen dritten Weg, der weder die Klimabilanz kompensiert noch auf Biogas setzt, schlägt Greenpeace Energy ein: Windgas. Unser Stromnetz kann nur eine begrenzte Menge aufnehmen. Da Atom- und Kohlekraftwerke unflexibel sind, müssen an stürmischen Tagen Windräder abgeschaltet werden. Dieser überschüssige Strom könnte jedoch Elektrolyseure antreiben, Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Technisch ist es möglich und zulässig, Wasserstoff bis zu einer Konzentration von fünf Volumen­prozent ins Gasnetz einzuspeisen. Durch eine weitere chemische Reaktion mit Kohlendioxid ließe sich sogar Erdgas erzeugen. Das heutige Erdgasnetz hat bereits die notwendige Kapazität. Es kann mehr als 200 Terawattstunden aufnehmen. Das entspricht dem bundesdeutschen Verbrauch mehrerer Monate. Und neue Verfahren, um Strom zu speichern, sind essentiell für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Als Brücke liefert Greenpeace Energy zunächst ausschließlich fossiles Erdgas. Die Kunden des Produkts „pro Windgas“ subventionieren mit dem Aufschlag auf den normalen Gaspreis zu 90 Prozent die neue Windgas erzeugende Technologie. Zehn Prozent fließen in den Ausbau von Mikro-Blockheizkraftwerken. Noch in diesem Jahr heizen die Windgas-Abnehmer mit einem Methan-Wasserstoff-Gemisch. Bis zu 400 Megawattstunden kauft Greenpeace Energy vom brandenburgischen Hybridkraftwerk der Firma Enertrag ein, 2013 soll es die dreifache Menge sein. Damit wären 350 Durchschnitts-Haushalte ein Jahr lang versorgt. Ende nächs­ten Jahres wird dann voraussichtlich der erste Greenpeace-eigene Elektrolyseur ans Netz gehen.

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Dieser Artikel ist aus der Ausgabe: wanderlust Nr. 04 / 2012

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