Besuch beim Kini
Die Bayern lieben ihren König Ludwig. Wer ihm nahe sein will, sollte eine Wanderung auf „seiner“ Herreninsel machen – im Winter, wenn wenig Touristen seine verzauberte Welt stören.

Text & Fotos: Friederike Brauneck
Er war kein guter Schwimmer“, Jakob Nein weiß aber, warum Ludwig II. dennoch das dritte seiner Fantasie-Schlösser auf eine Insel baute: „Nur wegen des Abstands zu den Menschen.“ Jakob Nein weiß viel über den „Kini“, wie ihn die Bayern liebevoll nennen. Und über die herrliche Natur auf der Herreninsel im Chiemsee. Denn dort ist er als Techniker für Garten- und Landschaftsbau für „alles zuständig, was grün ist.“ Außerdem ist er der Förster der Insel. Er sieht seine Aufgabe zwar vorrangig im Betreuen, aber natürlich muss er als Jäger auch für ein gesundes Gleichgewicht in der abgeschotteten Insel-Tierwelt sorgen. Denn hier herrschen geradezu paradiesische Zustände: Abends, wenn die Touristen das Eiland mit dem letzten Schiff verlassen, kehrt bis zum nächsten Morgen tiefe Ruhe ein. Als hätte es einen Blick auf den Fahrplan geworfen, kommt das Wild dann ganz selbstverständlich aus der Deckung und nimmt die (fast unbewohnte) Herreninsel in Besitz. Da es in Deutschland kaum ernst zu nehmende natürliche Feinde wie Bären oder Wölfe gibt, ist im Allgemeinen der Autoverkehr für das Wild die größte Gefahr. Aber von ein paar Dienstfahrzeugen abgesehen, fehlt auch der auf Ludwigs Insel.
Ausgesuchte Bewohner
Zur Zeit sind weder Fuchs noch Wildschwein auf diesem abgeschotteten „Planeten“ heimisch. Aber das kann sich ändern, zum Beispiel, wenn der See mal wieder zufriert wie zuletzt im Jahr 2005. Manchmal suchen sich männliche Jungtiere, ob Fuchs oder Reh, schwimmend ein neues Revier. Jakob Nein ist mit dieser Art „Einwanderung“ durchaus einverstanden, bedeutet sie doch eine gesunde Aufmischung des Insulaner-Genpools. Anders sieht es beim Damwild aus: Das lebt hier auf der Herreninsel separat in einem Gehege. Als besondere Rasse, die einstmals als Import aus Mesopotamien den Herrschern als Prestigeobjekt diente, soll sie sich nicht mit dem übrigen Wild vermischen. Allerdings bedeutet dies für Jakob Nein, dass er einmal im Jahr die Herde auf eine angemessene Zahl reduzieren muss: Nur ein kräftiges männliches Exemplar darf als Platzhirsch seiner Herde vorstehen, ansonsten leben hier nur „halbstarke“ Spießer und Ricken mit Jungtieren in trauter Harmonie. Der Platzhirsch trägt traditionell den Namen „Fritz“ – aber manchmal, ja manchmal geht es auch dem jeweiligen Fritz waidmännisch an den Kragen. Auf den alten Fritz folgt dann sehr schnell ein junger, neuer – der Lauf des Lebens eben. Das Fleisch der Tiere, Prestigeobjekt hin oder her, gibt es dann, herrlich zubereitet, in der Schlosswirtschaft auf der Insel. Auch für den bayerischen Ludwig war das Hirschgehege Prestige, ganz im Sinne des französischen Ludwig XIV., den er als Sonnenkönig bewunderte. So war sein Schloss als eine Hommage an Versailles gedacht und wurde dem gewaltigen französischen Prachtbau samt Gartenanlage nachempfunden. 1878 startete man mit den ersten Arbeiten. Nach Ludwigs Tod 1886 war der Bau allerdings noch nicht fertig, und vieles, wie auch der geplante Park, wurde erst 1888 in „abgespeckter“ Version ausgeführt. Dennoch ist das Schloss beeindruckend in seiner Opulenz und Pracht. Vor allem mit dem Wissen, dass sich der menschenscheue Ludwig meist allein – von wenigen Dienstboten „unsichtbar“ umsorgt – in den unendlichen Zimmerfluchten aufhielt. Auch die wunderbaren Perspektiven über den See bis hin zu den Alpen am Horizont wird er nur selten wahrgenommen haben, so versteckt, wie er gelebt hat.
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