Charme der Vergangenheit
Wo früher malocht und geackert wurde, erinnern heute Industriedenkmäler, Ruinen und verrostete Bauwerke an die industrielle Revolution. Die Natur hat die Oberhand gewonnen. Zwischen Hochöfen, Zechen, Bergwerken und Textilfabriken bieten Industriewanderungen einen Mix aus Geschichtsunterricht und sportlicher Bewegung.

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Text: Sebastian Appianing
Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt …“ So beginnt Herbert Grönemeyers berühmte Hymne „Bochum“. Er besingt die Zeit der Industrialisierung, in der der Himmel über dem Ruhrgebiet schwarz von den Rauchwolken war, die aus unzähligen Schornsteinen stiegen. Es ist eine musikalische Hommage an eine Region, die durch den Abbau von Kohle geprägt wurde wie kaum eine andere. Schon im 13. Jahrhundert wurde im Ruhrgebiet Kohle gefördert. Doch erst mit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert erlebte „der Pott“ einen rasanten Aufstieg und gewann zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. Aus kleinen Betrieben wurden große Konzerne, aus Siedlungen entstanden riesige Städte, und die Montanindustrie wuchs und wuchs. Das Ruhrgebiet wurde zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. In unzähligen Zechen und Bergwerken wurden Bodenschätze abgebaut und später in großen Kraftwerken verarbeitet. Tausende Bergleute arbeiteten unter Tage und förderten die begehrte Kohle. Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Kohlekraftwerke von einst sind heute fast alle stillgelegt. Von den unzähligen Zechen, die das „Grubengold“ gefördert haben, ist nur noch eine Handvoll in Betrieb. Der von Grönemeyer besungene „Pulsschlag aus Stahl“ erklingt auch nicht mehr, stattdessen ist heute ein anderes Geräusch zu hören: Das Klicken von Fotoapparaten, die den unzähligen Besuchern gehören, die sich die stillgelegten Zechen und Hochöfen ansehen.
Rückkehr der Natur
Heute kann man die Zeugen des Industriezeitalters nicht nur besichtigen, sondern auch erwandern. In ganz Deutschland laden unzählige Routen Besucher dazu ein, Industrie-Geschichte wandernd zu erleben. Ob geschlossene Sägewerke, Ruinen alter Gruben und Zechen oder ehemalige Textilfabriken, die nun als prunkvolle Wohnhäuser dienen – die Strecken sind sehr abwechslungsreich und führen durch frühere Industriegebiete. So auch die 30 Strecken, die durch das Ruhrgebiet verlaufen und dabei die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Kohleabbaus erzählen. Waren Staub, Schmutz und Lärm damals an der Tagesordnung, geht es heute viel beschaulicher zu auf den ehemaligen Industrie-arealen: Die Natur hat das Ruder übernommen. Wo früher gigantische Bagger Kohle und Erz förderten, regieren jetzt Gräser und Farne. Die ehemals riesigen Bergwerke sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Vielerorts zeugen lediglich Ruinen vom Glanz der Industrie. Doch genau diese Mischung reizt viele Wanderer. Dort, wo einst riesige Maschinen die Natur zerstörten und ausbeuteten, blüht sie heutzutage ganz neu auf. Pflanzen überwuchern die verrosteten Reliquien der Industriekultur und erschaffen wunderschöne neue Landschaften und Rückzugsorte für seltene Tierarten.
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