Film ab in Görliwood
Quentin Tarantino war schon da. Ralph Fiennes ist quasi Stammgast. Und Nicolas Cage feierte dort seinen Geburtstag. Hollywood hat sich in Görlitz verliebt und dreht immer mehr Produktionen in der Neiße-Stadt. wanderlust-Autorin Alexa Christ ist auf den Spuren der Filmdrehs durch Görlitz spaziert.

© Fotos: Alexa Christ, Getty Images/AFP, IMAGO / UPI Photo / Rainer Weisflog, pa/Fox Searchlight
Text: Alexa Christ
Sein Kaiser-Wilhelm-Bart war schuld. Ohne den wäre Reinhold Hegelow sicher nicht in die Verlegenheit gekommen, elf Tage lang eine violette Livree mit goldener Weste und ganz viel Gel im Haar zu tragen. „Das Gel habe ich anfangs gar nicht mehr aus den Haaren rausbekommen, weshalb ich nur noch mit Pudelmütze durch die Gegend gelaufen bin“, erzählt der Görlitzer Hotelier und Gastwirt schmunzelnd. Ein Filmscout hatte den 61-Jährigen, dessen markanter Bart sich an beiden Enden kunstvoll in die Höhe zwirbelt, vom Fleck weg für die amerikanische Kino-Produktion „Grand Budapest Hotel“ engagiert. Hegelow spielt in dem Film, der letztes Jahr die Berlinale eröffnete, einen Oberkellner aus dem Jahr 1932. Obwohl, was heißt hier spielen? „Ich habe den Hintergrund der Hotelszenen ausgefüllt“, gibt Hegelow lachend zu. Sich als Komparse ein bisschen was dazuzuverdienen und den großen Filmstars dabei über die Schulter zu gucken ist in Görlitz kein Problem mehr, seit Hollywood das kleine Städtchen an der Neiße entdeckt hat. Seitdem steht der Görlitzer in der Schlange beim Bäcker schon mal hinter Jeff Goldblum, sitzt im Café Ralph Fiennes gegenüber oder stemmt im Fitnessstudio neben Jude Law Gewichte – Alltag in einer Stadt, in der seit den 50er Jahren über 70 Filme gedreht wurden.
Wandelbare Kulisse
Dabei darf das malerische Görlitz sehr selten es selbst sein. Beispiel Untermarkt: Der meistgefilmte Drehort der Stadt verzaubert mit prächtigen alten Bürgerhäusern und Stadtpalais. Da saugt sich das Auge an spätgotischen Arkaden, reich verzierten Portalen, pittoresken Giebeln und prachtvollen Innenhöfen fest. Dennoch könnte der Untermarkt unter echten Identitätsproblemen leiden, musste er doch schon für so einiges herhalten – etwa Paris, Straßburg, Königsberg, Frankfurt, Heidelberg oder gar die Lagunenstadt Venedig. „In dem Film ‚Der Geisterseher‘ von 1987 fuhren Gondeln auf Stahlschienen über unseren schönen Untermarkt“, erzählt Stadtführer Uwe Stark, der mit seiner Kollegin Karina Thiemann seit zwei Jahren filmische Stadtrundgänge anbietet, und fügt gleich hinzu: „Und in der Kinoproduktion ‚Goethe!‘, als wir Frankfurt darstellten, rieselte es im Sommer Kunstschnee auf das Kopfsteinpflaster.“
Pro Jahr erhält Görlitz, das sich seit Oktober 2013 den Markennamen „Görliwood“ schützen lässt, circa fünf bis zehn Drehanfragen. Für die ist Kerstin Gosewisch von der Stadtverwaltung zuständig. „Es gibt kein Gesetz der Serie, dass jede Filmproduktion nach Görlitz kommt – viele Faktoren können wir gar nicht beeinflussen. Aber was wir natürlich versuchen, ist, einen guten Service zu bieten und auf Anfragen und Wünsche schnell zu reagieren“, sagt sie. Und daran tut Görlitz gut. Die Stadt, die mit ihren 4.000 Baudenkmälern aus Spätgotik, Renaissance, Barock, Gründerzeit und Jugendstil als größtes Flächendenkmal Europas gilt, hatte bei der Wende noch knapp 75.000 Einwohner. Heute sind es nur noch 55.000. Die Filmdrehs spülen dringend benötigtes Geld in die Kassen – nicht nur von Hoteliers und Gastronomen. Ortsansässige Tischler werden mit Kulissenbau beauftragt, Einwohner als Statisten gebucht, lokale Kunsthandwerker fertigen Requisiten an, und Cafébesitzerinnen backen Törtchen, die eine wichtige Rolle im Film spielen („Grand Budapest Hotel“).
Den kompletten Text inklusive aller Fotos, der Tourenbeschreibung sowie der Tourenkarte zum sammeln und nachwandern erhalten Sie in Heft 3/2015 von wanderlust.