Lila Wolken
Tot oder lebendig? Auf dem Ohlsdorfer Friedhof geht beides. Baumgräber, Kolumbarien und Mausoleen als charmante Kulisse für einen riesigen, wilden Park. Darin blühen haushohe Rhododendren, ein Uhu-Pärchen brütet, und Schildkröten sonnen sich auf dem Prökelmoorteich.

© Beate Wand
Text: Beate Wand
Auf der glatten Oberfläche ruht ein lila Teppich. Blüten, die sich spiegeln. Dicht an dicht. Ein Windstoß. Das Wasser kräuselt sich, das Bild verschwimmt. Als stünden sie mit ihren Füßen im Wasser, schmiegen sich riesige Rhododendron-Büsche um das Ufer des Nordteichs. Violett, dazwischen grüne Sprenkel. Mit rundlicher Silhouette liegen sie da wie haushohe, aufgeschüttelte Kissen. Oder lila Wolken. Ende Mai bis Anfang Juni leuchten auf dem Ohlsdorfer Friedhof Abertausende purpurner Blüten-Pompoms. Für einige Tage streifen sie den immergrünen Sträuchern ein Ballkleid über. Sie reißen die Blicke an sich und lenken ab von den ledrigen, länglich-ovalen Blättern, deren eher tristes Grün hell aufleuchtet, wenn die Sonne sie im richtigen Winkel anstrahlt.
Touristenmagnet Friedhof
Um dieses Spektakel zu erleben, strömen viele der geschätzten zwei Millionen Besucher pro Jahr zur Rhododendronblüte auf den größten Hamburger Friedhof. Denn hier wuchern die Verwandten der Alpenrosen in gigantischem Ausmaß: Mal gleiten sie wie Schlachtschiffe zwischen den Gräbern daher, woanders scheinen sie Baumstämme zu verschlingen, mal verstecken sie hohe Holzkreuze oder spannen sich wie eine Höhlendecke über Grabnischen. Zu seiner Blüte brilliert der Rhododendron als Primoballerino auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Doch neben ihm machen auch andere Stars wie brütende Uhus, Eisvögel und Schildkröten auf dem Prökelmoorteich diese Oase der Ruhe zu einem Stück Hamburger Erfolgsgeschichte. Sie begann im 19. Jahrhundert. Hamburg wuchs. Auf den Friedhöfen vor den Stadttoren fehlte Platz, und Dinge zu bündeln war trendy. Die Stadtväter kauften weit draußen Wiesen und Felder für einen Zentralfriedhof, der für lange Zeit groß genug sein sollte.
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