Biobauer Uwe Wüst: „Vielfalt statt Vorherrschaft“

Auf seinem Hof Krautfürnix im ­badischen Bauland beherbergt der Demeter-Bauer Uwe Wüst eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen, die andere Züchter längst vergessen haben. Der Landwirt verwirklicht seine Art von Biodiversität mit einer Einstellung, die ihresgleichen sucht.

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Philosophie der Freiheit: Uwe Wüst (49) lässt auf seinem Biohof Tiere und Pflanzen sein, wie sie sind. ­Dafür erhielt er 2006 den ­„Förderpreis Naturschutzhöfe“. © Markus Lokai

Herr Wüst, Sie haben sich mit Ihrem Demeter-Hof Krautfürnix auf die Vielfalt der Getreidearten spezialisiert. Was findet man denn auf Ihrem Hof?

Uwe Wüst: Ich baue 40 verschiedene Getreidesorten an. Die sind teils historisch, teils biodynamisch gezüchtet oder auch einfach zufällig zu mir gekommen. Wie zum Beispiel ein gestreifter Weizen, den ich zwischen anderen Arten entdeckt habe. Den nannte ich „Sträflingsweizen“ und fing im Jahr darauf an, ihn ebenfalls anzubauen. Seither gehört er dazu. Dann habe ich noch den struppigen „Wunderweizen“ mit richtig dicken Ähren, Waldstaudenroggen, der bis zu zwei Meter hoch wird, Schwarzhafer, Einkorn, Emmer- und ­Gerstearten, sieben verschiedene Dinkelsorten oder den Weizen „Bienenblüte“.

Was gefällt Ihnen an diesem Konzept so?

Mir geht es um Harmonie zwischen Kulturpflanzen und den sogenannten Unkräutern. Solange diese Beikräuter den Kulturen den Vorrang lassen, brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Ich freue mich über rosa blühende Ackerwinde, blaue Kornblume, unscheinbares Labkraut, Ackerhohlzahn und Vogelmiere genauso wie über die einzelnen Samen im Einkorn. Denn wo Vielfalt herrscht, kann keine Pflanze die Vorherrschaft übernehmen.

Und wie kamen Sie auf diese Idee?

Mit dem Einkorn hat eigentlich alles begonnen. Das ist eine der ältes­ten domestizierten Getreidearten. Es entstand einst aus wildem Weizen. Es war mein erstes Getreide, ausgesät aus einer Tüte aus dem Bioladen. Seit 2000 bewirtschafte ich Krautfürnix biodynamisch. Experimenteller Landbau im Einklang mit Naturschutzansprüchen war das Leitbild, mit dem ich damals begann – übrigens war ich bis dahin als Baumfäller für schwierige Situationen und Spielplatzbauer beschäftigt. Mein Bauernhof soll als eigenständiger Organismus funktionieren, ohne Zukauf von Saat, Dünger oder ­Futter. Mein Team hilft mir, dieses Prinzip jeden Tag umzusetzen. Es besteht inzwischen aus meiner Frau Jutta, unserem Präparate-Spezialisten Dirk ­Appel und Lagerchef Ranu, Praktikanten und Teilnehmern des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) und auch immer mal wieder unseren drei Kindern.

Wie sieht die Arbeit auf Krautfürnix aus?

Je nach Wetter wird im März gesät. Die Saatguttonnen werden in der Scheune gelagert. Wir bereiten sie im Winter aus der eigenen Ernte auf. Der Boden wird nur mit dem Hügelpflug bearbeitet. Er ähnelt dem Hakenpflug aus alten Zeiten und lockert den Boden, ohne ihn dabei zu zertrümmern. Der krümelt dann von selbst. In den Hügeln, ähnlich wie beim Kartoffelanbau, gibt es ein optimales Kleinklima für beste Bodenvoraussetzungen. Gesät wird in die Hügel, in der Furche dazwischen wächst fast nichts. Je nach Bodenbeschaffenheit zeigen sich dann neben dem ­Getreide ganz unterschiedliche Kräuter. Das Getreide ist aber stark genug, um sich durchzusetzen. Schön ist, dass in den Feldern dann später seltene Rebhühner und Feld­hasen zu beobachten sind. Genauso wie Schmetterlinge, Vögel und Unmengen von Insekten. Die finden da zum Beispiel auch Bokhara-Klee oder die Esparcette, eine alte Futter­pflanze, die moderne Landwirte längst vergessen haben.

Gilt diese Vorliebe für Vielfalt und traditionelle Arten auch für die Tierwelt auf Ihrem Hof?

Ja, meine Lieblinge sind zum Beispiel die englischen Langhorn­rinder. Ihre Hörner dürfen wachsen, wie es ihnen beliebt, und dreifarbig dürfen die Rinder auch sein. Hinterwäldler-Rinder ergänzen die Mutterkuhherde. Einen großen Poitou-Esel halten wir zusammen mit dem Stier. Wollschweine, Bentheimer und Deutsches Weide­schwein sind bei uns ganzjährig draußen. Und wenn der Fuchs nicht zuschlägt, bewegen sich die Gänse frei rund um den Hof.

Und wie entstand der ungewöhnliche Hofname?

Der entstand aus einem Wortspiel mit dem Sprichwort „Dem graut vor nix!“, das mich schon lange begleitet. Passt aber, weil sich auch das Kraut für nix – also scheinbar ohne Nutzen und ­Erntebestimmung – hier entfalten darf.

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Dieser Artikel ist aus der Ausgabe: wanderlust Nr. 06 / 2012

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