Tannengeflüster statt Großstadtlärm

© Alexa Christ
Ganz viel Grün und noch mehr Stille: Es mag bekanntere Fernwan- derwege als den Kammweg Erzgebirge-Vogtland geben, aber in kaum einer anderen Gegend lässt es sich so gut abschalten und einfach nur die Natur genießen. Unsere Autorin Alexa Christ war zwei Tage auf einem Traumweg mit einer langen Historie unterwegs.
Erst wenn du deinen Fuß ins Gelände setzt, lernst du deine Heimat kennen“, erklärt meine Wandergefährtin Katrin Klaubert-Heß im Brustton der Überzeugung. Es ist ein schnöder Dienstagmorgen. Eigentlich würde die Tourismusfrau jetzt am Schreibtisch sitzen und Zahlen verwalten. Stattdessen stehen wir in Schöneck, auch „Balkon des Vogtlands“ genannt. Mit knapp 800 Metern über NN bietet die höchstgelegene Stadt der Region einen Eins-a-Logenplatz für Fernsichten – an klaren Tagen bis in den Frankenwald, ins Elster-, Fichtel- und ins ostthüringische Schiefergebirge. Landschaftskino par excellence. Also lassen wir den Blick schweifen und inhalieren ausgiebig das tolle Panorama. Erst danach lenken wir unsere Schritte auf historische Pfade. Bereits 1902 entstand die Idee des ersten Kammwegs. Damals wollten deut- sche wie tschechische Wanderfans den 619 Meter hohen Rosenberg in der Böh- mischen Schweiz mit dem 1.012 Meter hohen Jeschken in Nordböhmen verbin- den. Als Markierungszeichen wählte man einen blauen, vierzinkigen Kamm. Schon zwei Jahre später gab das Zeichen auf dem ersten Abschnitt Orientierung. Doch damit nicht genug: Mit blauer Farbe und Pinsel bewaffnet, sorgte der Teplitzer Lehrer Joseph Brechensbauer dafür, dass die Wanderer im Jahr drauf bis ins Erzgebirge und ins Vogtland weiterlaufen konnten. 1913 schließlich war gar der Anschluss bis ins schlesisch-nordmährische Altvatergebirge geschafft – mit fast 800 Kilometern damals der längste Fernwanderweg im deutschen Sprachraum!
Neue Wegführung
nach der Wende
„Von diesem historischen Kammweg ist allerdings so gut wie nichts übrig“, sagt Katrin. „Auf böhmischer Seite sind viele Wege und Grenzdörfer verschwunden, und auch bei uns wurden die Pfade zu DDR-Zeiten nicht gepflegt.“ So hat der heutige Kammweg Erzgebirge-Vogtland nicht mehr viel mit seinem historischen Vorgänger zu tun. Er ist ein Projekt, das nach der Wen- de entstand. 2011 eingeweiht, verläuft der zertifizierte Qualitätsweg auf 285 Kilome- tern ausschließlich auf deutscher Seite. 17 Etappen, die durch ein sanft-hügeliges Bergland führen. Eine Kulturregion, die durch den Bergbau geprägt ist und in der einst die Textilproduktion – Plauener Spitze versorgte den ganzen Ostblock mit Gardinen und Deckchen – vorherrschend war. Dreiviertel der Strecke führt durch den Naturpark Erzgebirge-Vogtland. Es ist eine Gegend, in der die Hektik des moder- nen Alltagslebens rasch am Kleiderhaken hängen bleibt. Bizarre Felsformationen, bunt blühende Bergwiesen und dichte, schattige Wälder prägen die Landschaft. Von unserem Startpunkt in Schöneck tau- chen wir schon bald ins Quellgebiet der Roten Mulde ein. Die Quelle an sich liegt gut versteckt in den Teichen an der Mei- lerhütte, die vor allem im Winter hoch frequentiert ist. Dann führt an der kegel- förmigen Hütte nicht nur der Kammweg vorbei, sondern auch die Kammloipe, die zu den schneesichersten in ganz Deutsch- land zählt. „Das war schon vor der Wende ein sehr beliebter Treffpunkt“, erzählt Katrin.
www.vogtland-tourismus.de und www.kammweg.de
Die ganze Geschichte finden Sie in Ausgabe 6/22, zu bestellen bei uns im Shop.