Über die Zickerschen Alpen

Der Name „Zicker“ stammt vom slawischen „Sikor“ für Meise. Die ­„Alpen“ dagegen entwuchsen der liebevollen Ironie der Bewohner der Halbinsel Mönchgut auf Rügen: Ihre Gipfel bleiben unter 70 Meter. Schön sind sie trotzdem: Die Weite der begrasten Hügel schafft Raum für Gedanken, aus denen ­kleine Wäldchen und die Kliffkante den Wanderer jäh herausreißen.

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Text & Fotos: Beate Wand

Die Hände ruhen übereinandergeschlagen auf dem gedrehten Stock – sein Markenzeichen. Schräg in den Boden gestemmt, lehnt er wie ein Schäfer dagegen. Doch die Schäfchen, die René Geyer über die Landzunge des Großen Zicker, Teil der Halbinsel Mönchgut im Biosphärenreservat Südost-Rügen, führt, laufen (überwiegend) auf zwei Beinen. Einige von ihnen tragen Rucksäcke, andere Hüte oder – wie der Naturführer – ein Käppi zum Schutz gegen die sengende Septembersonne. Der einzige Vierbeiner, ein kleiner Hund, muss an die Leine. Denn die feuchteren Wiesen, halbtrockenen und trockenen Rasen, über die Geyer seine heute gut zwanzigköpfige Herde scheucht, hüten selten gewordene Naturschätze: Wachteln und Feldlerchen brüten hier am Boden, unzählige Insekten flattern und schwirren im Blütenmeer umher, über 90 der extrem zahlreichen Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Irgendwo zwischen Geflecktem Ferkelkraut und Buntem Hohlzahn habe er seine „Kräuterelfe“ aus Bayern gefunden, verrät der „Kräuter-Geyer“, wie ihn hier alle nennen.

Eine leichte Brise beschwingt die längeren Halme. ­Wellen scheinen über die zu dieser Jahreszeit rötlich-braunen bis ockerfarbenen Teppiche zu wogen, die die Hänge der wunderbar rundlichen Buckel überziehen. Zickersche Alpen, so nennen die Einheimischen selbstironisch die nicht mal 70 Meter hohe Hügelkette. Der Kamm zwischen den beiden höchsten, Bakenberg im Osten und Zicker Berg im Westen, gilt als Rennsteig des Mönchguts. Wo etliche Schuhe ihre Abdrücke in den Sand des von dort oben einmündenden Wegs gestempelt haben, warnt ein Schild: „Vorsicht! Abbruch Steilküste! Lebensgefahr!“ Das weckt die Neugier, denn diese Stelle erscheint zunächst absolut harmlos: Auf Augenhöhe mit dem Wasser der Kaming, das als Nebenwasser des Greifswalder Boddens in einer guten Ackerbreite Abstand zur Linken glitzert, zockelt der Tross, auf dem sich in der Ferne sachte aufwärts schlängelnden Spurweg hinter dem Naturführer her. „Es gibt keine schönste Ecke, man kann die verschiedenen Landschaften auf Rügen nicht vergleichen“, antwortet Geyer auf die Frage, ob die Zicker Berge sein liebstes Fleckchen auf Deutschlands größter Insel seien, „aber sie sind sicher ein Filetstück!“

Mit etwa 330 Hektar sei die Landzunge, die zwischen den ­Fischerdörfern Gager und Groß Zicker westwärts leckt, zwar ­einen Tick kleiner als der Central Park in New York, dafür aber viel schöner. Immer wieder hockt sich René Geyer im Gras nieder, zeigt uns Pflänzchen, zupft Blüten ab und ermutigt uns zum Probieren: Die zartgelben kleinen Löwenmäulchen des Frauenflachses zum Beispiel empfiehlt er zum Dekorieren von Vanillepudding. Geschmacklich erinnern sie an Melone, nur schmecken sie weniger süß, im Abgang sind sie leicht bitter. „Um diesen Pflanzengeist zu spüren, müsst ihr mal die Blätter fühlen – sie sind rau wie eine Ochsenzunge“, fordert Geyer bei der hübsch blau blühenden Ochsenzunge auf. Er schwärmt, wie Spitz­wegerichknospen Kartoffeln bereichern, wenn man sie kurz in sprudelndem Salzwasser wirft; wie lakritzig-erbsig im Frühjahr die jungen Triebe des Taubenkropf-Leimkrauts mit etwas Schmand und Speck munden.

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Dieser Artikel ist aus der Ausgabe: wanderlust Nr. 02 / 2018

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