Die ersten Meter des Rotweinwanderwegs haben es in sich. Über schmale Treppen und steile Pfade schlängelt sich der Weg vom Weinort Altenahr zur Burgruine Are hinauf, deren mächtiger Turm 113 Meter hoch über dem Ahrtal thront. Oben angekommen atmen wir tief durch und genießen erst einmal die Aussicht auf den Flusslauf. Nach einer kurzen Pause geht es auf dem mit einer roten Traube gekennzeichneten Weg weiter zum Aussichtspunkt „Altenahrer Eck“. An dieser Stelle ist das Tal besonders eng und die Trauben gedeihen an steilen Weinbergen. Lukas Sermann ist einer der Winzer, der seine Rebstöcke in dieser sonnigen Lage bewirtschaftet und seinen Wein an ausgewählten Wochenenden direkt vor Ort ausschenkt. Heute hat sein Stand geöffnet und einige Spaziergänger genießen auf bunten Sonnenliegen mit einem kleinen Glas Spätburgunder das Panorama.
Traditionsreiche Tour
Für uns ist es für einen Rebsaft noch zu früh, denn bis zum ersten Etappenziel in Dernau sind es noch einige Kilometer. Wir schnüren unsere Wanderstiefel etwas fester und spazieren über breite Wege zu einem großen metallenen Tor, das uns hoch über dem Weinort Mayschoß begrüßt. Nach einem kurzen Fotostopp geht es weiter durch einen dichten Wald, bis wir an einem kleinen Zulauf der Ahr rechts abbiegen und dem Bach durch die Weinberge der traditionsreichen Mayschoßer Lagen folgen. Der Rotweinwanderweg verläuft oberhalb der kleinen Gemeinde, die zu den schönsten Weinorten im Ahrtal zählt. Über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist die Winzergenossenschaft in Mayschoß, die bereits 1868 gegründet wurde und als älteste Winzergenossenschaft der Welt gilt. Auf der gegenüberliegenden Anhöhe erblicken wir wenig weiter die Ruine der Saffenburg, die aus dem 11. Jahrhundert stammt.
Die Folgen der Flut
Links und rechts begleiten uns die Rebhänge, hier und da sonnen sich kleine Eidechsen auf dem Schiefergestein. Das Zeichen der roten Traube führt uns jetzt zum Weinort Rech, der von der Flut stark getroffen wurde. Die berühmte Nepomuk-Brücke hatte beim Ahr-Hochwasser 1910 noch als einzige aller Brücken im Ahrtal standgehalten, wurde aber bei der Flut von 2021 zerstört. Heute verbindet eine neue Brücke die Ortsteile auf beiden Seiten der Ahr, und auch Hofläden und Winzer haben ihren Verkauf wieder geöffnet. Mit Blick auf die Ahrschleifen folgen wir der Trauben-Markierung durch die Weinhänge und passieren oberhalb von Dernau schließlich die Dr.-Karl-Näkel-Hütte. An den folgenden zwei Gabelungen halten wir uns rechts, biegen bei einem Bildstock ins Tal ab und erreichen schließlich die ersten Häuser unseres heutigen Etappenziels.
In Dernau sind die Folgen der Flut fast überall sichtbar, der Wiederaufbau wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Eine Hochwassermarke an einer Hauswand erinnert an die Katastrophe, wenig weiter hängen Schilder mit roten Herzen und „Danke an die Helfer“-Schriftzügen. Aber wir spüren überall, dass wir als Urlauber bei Gastronomen, Hoteliers und Winzern herzlich willkommen sind. Einer der Gastgeber ist Paul Schneider. „Bereits drei Monate nach der Flut habe ich einen Stand in den Weinbergen eröffnet“, blickt der engagierte Ahrtaler stolz zurück. Heute betreibt er die „FlutbAHR“ in einer ehemaligen Vinothek, die zum beliebten Treffpunkt geworden ist. Wir lassen den ersten Abend dort ausklingen und kommen mit Einheimischen und Helfern ins Gespräch.
Am nächsten Tag geht es von Dernau wieder steil hinauf zum Rotweinwanderweg. Mit flotten Schritten spazieren wir durch die Weinberge und erreichen nach rund vier Kilometern den kleinen Ort Marienthal. Oberhalb des Dorfes öffnen einige Winzer gerade ihre Weinstände, wir folgen der Traube weiter zum Weingut Kloster Marienthal. Die Geschichte des ehemaligen Klosters geht bis ins Jahr 1137 zurück, heute dient die Ruine als Eventlocation und auf der Terrasse im Innenhof werden Flammkuchen serviert. Nach einer kurzen Pause erklimmen wir über Serpentinen den Trotzenberg und spazieren weiter zum Weingut Försterhof. Hier lohnt sich ein Fotostopp, denn das Gebäude ist architektonisch angelehnt an die Werke von Hundertwasser und Antonio Gaudi. Wir bewundern die außergewöhnlichen Formen und Figuren, besuchen den Kräutergarten nebenan und unternehmen dann einen Abstecher zur „Bunten Kuh“. Über steile Treppen geht es zum überdachten Aussichtsturm hinauf, von dem sich ein fantastischer Ausblick über das Ahrtal mit seinen felsigen Schluchten und grünen Weinbergen eröffnet. Vorbei am Olivenhain des Weinguts Kriechel wandern wir über einen Weinbau-Lehrpfad zur Dokumentationsstätte Regierungsbunker und passieren wenig weiter das Museum Roemervilla. Oberhalb von Ahrweiler kommen wir am Silberberg und am „Seilpark Mittelrhein“ vorbei, bis wir unser Etappenziel Bad Neuenahr erreichen.
Erfrischung zum Schluss
Am dritten und letzten Tag folgen wir der roten Traube oberhalb der Doppelstadt Bad Neuenahr-Ahrweiler gen Osten. Kurz vor der Unterquerung der A61 passieren wir den sehenswerten Apollinaris-Brunnen im Stadtteil Heppingen, der Mitte des 19. Jahrhunderts von Georg Kreuzberg entdeckt wurde. Heute wird das mineralhaltige Wasser von Bad Neuenahr aus in alle Welt verkauft. Schon bald erkennen wir die Ruine Landskron auf dem weithin sichtbaren Basaltkegel vor uns. Die Burg wurde Anfang des 13. Jahrhunderts von König Philipp von Schwaben erbaut und diente einst als Befestigung für das damalige Territorium um Sinzig und Remagen. Heute sind nur noch Bruchteile erhalten, doch der Aufstieg wird mit einer weiten Aussicht über das Ahrtal belohnt. Das letzte Highlight der Tour sind die Lohrsdorfer Orchideenwiesen. An einem Lößhang unterhalb des Rotweinwanderwegs gedeiht eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten wie das Helmknabenkraut, das Weiße Waldvögelein oder die Fliegen-Ragwurz. Mit vielen Fotos im Gepäck spazieren wir am Waldrand weiter gen Osten und erreichen mit dem Zentrum von Bad Bodendorf das Ziel des Rotweinwanderwegs.
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Aktiv durch das Ahrtal
Der 50 Jahre alte Rotweinwanderweg führt über 36 Kilometer von Altenahr über Dernau und Bad Neuenahr-Ahrweiler nach Bad Bodendorf. Hoch über der Ahr gelegen war der Weg von der Flut nicht betroffen und kann in beide Richtungen gegangen werden. Für einen Tagesausflug bietet sich die zehn Kilometer lange Strecke von Altenahr nach Dernau an. Sportliches Wandern auf sieben Etappen verspricht der rund 100 Kilometer lange AhrSteig zwischen Blankenheim und Sinzig. Unterwegs sorgen 3000 Höhenmeter für Herausforderungen.
Weitere Informationen unter ahrtal.de
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Ein Paradies für Spätburgunder
Die warmen Schieferböden und das fast mediterrane Klima machen das Ahrtal zu einem Paradies für den Weinanbau. Als „König der Rebsorten“ gilt hier der Spätburgunder, der auf 65 Prozent der rund 500 Hektar Rebfläche gedeiht und sich an den steilen Weinbergterrassen wohlfühlt. Wer das Besondere sucht, probiert den eher seltenen Blauen Frühburgunder, der sich durch einen fruchtigen Charakter und eine intensive rote Farbe auszeichnet. Weißwein-Freunde verkosten neben Riesling und Weißburgunder den Blanc de Noir, einen weiß gekelterten Spätburgunder. Zur Einkehr mit Verkostung laden zahlreiche Weingüter wie das familiengeführte Weingut Kriechel in Ahrweiler oder die neue Vinothek des Weinguts Sermann im Herzen von Altenahr. Einen Besuch lohnt mit der 1868 gegründeten Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr die älteste eingetragene Winzergenossenschaft der Welt.