Die Kunst beginnt schon wenige Meter hinter dem Bahnhof von Wiesenburg: Ein Spalier aus geschnitzten Holzstelen mit Figuren aus Märchen und Legenden des Flämings markiert den Übergang zum Schlosspark – Ergebnis eines Jugendprojekts der Gemeinde und Hommage an den Internationalen Kunstwanderweg, der hier seinen Anfang nimmt. Die Schüler verwendeten dafür das Holz abgestorbener Bäume.
Im Naturschauspiel
Kurz darauf verschluckt üppige Natur den Wanderer: Zuerst breitet sich ein Meer von Rhododendren unter jahrhundertealten Bäumen aus, dann öffnet sich die Wildnis zu einem prächtigen Landschaftspark im englischen Stil. Rotbuchen ragen aus dem hohen Gras der Wiesen, betagte Weiden lassen ihre Äste in schilfumsäumte Teiche hängen. Eine riesige Douglastanne bildet den Endpunkt einer Sichtachse zum Schloss.
„Die Douglasie war das Markenzeichen des Parkgründers Curt Friedrich Ernst von Watzdorf“, erklärt Juliane Heinrich. „Der Adlige experimentierte als einer der Ersten in Deutschland mit dieser Baumart und erkannte ihre Widerstandsfähigkeit gegen Wassermangel.“ Heinrich führt regelmäßig Gäste durch den Park, für den sie sich auch in einem Förderverein engagiert: „Die Anlage ist gartenhistorisch einzigartig im ostdeutschen Raum“, schwärmt sie. Das milde Sonnenlicht des Herbstes lässt jeden Baum in einem anderen Farbton erstrahlen – von goldgelb über leuchtend orange bis blutrot. „Diese Farbenpracht verdanken wir der Mischung aus heimischen und exotischen Arten“, sagt die Landschaftsplanerin: Der Schlossherr pflanzte Arten wie Goldlärche und Mammutbaum, Eisenholz- und Tulpenbaum, Sumpfzypresse und Flügelnuss.
Die Liebe und die Kunst
Um Curt von Watzdorf rankt sich aber auch eine traurige Legende: So soll er den Park einer unbekannten Dame gewidmet haben, seiner unerfüllten Liebe. Weil er den Freitod wählte, wurde er abseits des örtlichen Friedhofs in einem Erbbegräbnis mitten im Park beigesetzt. „Das wäre bestimmt auch in seinem Sinne gewesen“, meint Heinrich.
Vorbei am Schloss mit seinem markanten Turm geht es aus der 1200-Einwohner-Gemeinde in die weite Landschaft des Fläming – die nächsten Kunstwerke sind nicht weit entfernt: Kurz hinter dem Ort baumeln zwei goldene Wanderschuhe in einer durchsichtigen Stele, die an einen Eisblock erinnern soll: Symbol für die prägenden Gletscher der Eiszeit. Knapp 30 Werke des Internationalen Kunstwanderwegs verteilen sich entlang einer Nord- und einer Südroute zwischen Wiesenburg und Bad Belzig: in Wäldern und auf Wiesen, in Dörfern und an Bachläufen. Manche bilden weithin sichtbare Landmarken, andere fügen sich so dezent in die Landschaft ein, dass man sie erst auf den zweiten Blick wahrnimmt.
Die Installationen sind das Ergebnis zweier Wettbewerbe, an denen sich deutsche und internationale Künstler beteiligten. Alle Arbeiten mussten einen Bezug zur Landschaft des Fläming haben – oder zum 850-jährigen Jubiläum der Besiedlung der Region, in der sich besonders viele Menschen aus Flandern niederließen und dem Fläming seinen Namen gaben.
Zwischenstopp in Schmerwitz: Rund um das historische Gutshaus, das nach und nach saniert wird, herrscht teilweise noch der morbide Charme eines Lost Place. Lange war es Rittergut, die DDR bildete hier zeitweise Kampftruppen aus, nach der Wende entstand einer der größten Biohöfe Deutschlands. Im Hofladen findet man leckere Zutaten fürs Picknick oder kehrt im Biorestaurant ein.
Region mit magnetischer Wirkung
Gleich nebenan drehen sich bei Königsblau Keramik die Töpferscheiben – für Tassen, Krüge, Teller und Töpfe aus Steinzeug in einem dunklen Blauton. „Diese Farbe ist mit Abstand am beliebtesten – wir haben sie deshalb über die Jahre immer weiter verfeinert“, sagt Marcel Konitzki und krault der 14 Jahre alten Werkstattkatze den Kopf, die sich vom Lärm der Maschinen nicht stören lässt.
Die Töpferei hat einen gemeinnützigen Hintergrund, erzählt der Handwerker: „Fast alle Mitarbeiter haben ein Suchtproblem. Im Gegensatz zu anderen Therapien können sie bei uns bis zu 18 Monate bleiben und einen Beruf erlernen. Das klappt nicht immer – aber wer die ersten zwei oder drei Monate übersteht, bleibt meist bis zum Schluss.“ Konitzki kam bereits vor 20 Jahren dazu, heute ist er als Töpfer fest angestellt.
Vogelschwärme fliegen durch die Hecken aus Schlehen, Weißdorn, Holunder und Pfaffenhütchen, die den nächsten Wanderabschnitt begleiten. Im Herbst kann man reife Zwetschgen am Wegesrand naschen. Doch die Üppigkeit täuscht über den Wassermangel der Region hinweg – Thema der nächsten Installation mit neun Schwengelpumpen, die unerreichbar hoch auf einem Kreis aus rostigen Stahlmasten installiert sind.
„Der Fläming übt eine magnetische Wirkung auf Menschen aus, die den Mut haben, visionär zu denken und Dinge auszuprobieren – deshalb habe ich das Gefühl, hier richtig zu sein“, sagt Sebastian David. Der 49-jährige „Ureinwohner“ ist gleich mit mehreren Werken am Kunstwanderweg beteiligt. Mehr noch: Das Allroundtalent tritt als Musiker und Clown auf, spielt Theater, veranstaltet Workshops mit Kindern und baut Klangskulpturen.
Seine beeindruckendste Arbeit auf dem Kunstwanderweg ist das „Weltentor“, eine geheimnisvolle hölzerne Pforte mitten in der Natur. Doch der Anschein von Wildnis trügt: „Hier stand eine Scheune, dort drüben war der alte Dorfteich“, sagt David und zeigt auf kaum noch erkennbare Spuren des Dorfes Groß Glien. „Der Ort ist ‚wüstgegangen‘, weil die Menschen hier nicht mehr wirtschaften konnten.“
Oben thront die Burg
Geblieben sind die Grundmauern der Kirche, um die herum Eschen eine grüne Halle gebildet haben. „Man hat dadurch das Gefühl, tatsächlich noch in einem Kirchenschiff zu stehen“, sagt der Künstler. Dann öffnet er das Weltentor und bringt dabei die eingebauten Klangstäbe und Qi-Gong-Kugeln zum Tönen. Die Tür lässt sich nur auf einer Seite öffnen: „Es ist wie im Leben“, erklärt David, „oft gibt es kein Zurück, angefangen bei der Geburt.“
Seit das Tor in der Landschaft steht, ist die Wüstung zu neuem Leben erwacht: Viele Besucher nutzen sie als Rückzugsort oder einfach, um mit der Natur in Verbindung zu kommen. „Manche kommen auch zu Ritualen wie einem Schwellengang: eine Jugendweihe, ein Geburtstag, ein Hochzeitstag“, sagt David. Und in der Naturkirche unter den Eschen wurden schon Hochzeiten gefeiert.
Ankunft in Bad Belzig! Über dem Städtchen thront die Burg Eisenhardt mit ihren trutzigen Mauern, Wehrtürmen und dem 24 Meter hohen Bergfried. „Wollen Sie wirklich auf den Turm? Ich würde mich da immer drücken“, scherzt Museumsleiter Thomas Schmöhl – und begleitet die Gäste dann doch zu einer kurzweiligen Führung nach oben. Am Ende lassen alle noch einmal den Blick in Richtung Kunstwanderweg schweifen. Diesmal war es die Nordroute – sie hat Lust gemacht auf den Rückweg über die Südroute.
erleben
Kunstwanderweg
Je nach Geschmack kann man zwischen zwei Rund- und zwei Streckenwanderungen wählen – alle sind mit dem Regionalexpress RE 7 (Berlin–Dessau) erreichbar. Ein bunter Wechsel von Wäldern, Wiesen und Dörfern sowie der Hagelberg, der zweithöchste Berg Brandenburgs (mit eigenem Gipfelbuch), prägen die Nordroute (20 km).
Landschaftlich etwas weniger abwechslungsreich, entdeckt man auf der Südroute (17 km) einige besonders originelle Kunstwerke wie die Wolfsskulpturen von Marion Burghouwt oder die riesigen Kuh-Euter von Silke De Bolle. Ein Audioguide zu den einzelnen Stationen steht unter wandern-im-flaeming.de zur Verfügung.
Kürzlich wurde der Weg um digitale Kunst erweitert, die man unterwegs auf dem Handy ansehen kann: Virtuelle Avatare erklären sechs der bereits bestehenden Werke, dazu kamen fünf neue Arbeiten in Augmented Reality (abrufbar über QR-Codes in der kostenfreien Bad Belzig App). Weitere Infos bei der Reiseregion Fläming (reiseregion-flaeming.de) sowie beim Naturpark Hoher Fläming: kunst-land-hoher-flaeming.de
schmecken
Gastronomie
Rund zwei Dutzend Eisvariationen aus eigener Herstellung stehen auf der Karte im Eiscafé „Zur Postmeile“ in einem denkmalgeschützten Gebäude mit idyllischem Innenhof in Bad Belzig. Angeschlossen sind auch eine Brauerei und Whiskybrennerei sowie eine Pension (täglich ab 11 Uhr, Bahnhofstr. 16). eiscafe-bad-belzig.de
Die Gutsküche in Schmerwitz bietet Flammkuchen und weitere Gerichte mit Bio-Zutaten (Mi.–So. 11:30–18 Uhr). gut-schmerwitz.de
Selbst gebackene Kuchen und Torten mit Früchten aus der Region sind die Spezialität von Simones Parkcafé – zu genießen im kürzlich sanierten historischen Teehäuschen im Schlosspark Wiesenburg (Mi.–So. 14–18 Uhr).