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Achtsam im Moor

Böden so feucht und sauer wie Essig, tote Pflanzen, die dennoch leben: Wer in Mooren gedeihen will, muss ausgeklügelte Strategien entwickeln. In der Gemeinde Krumbach im Bregenzerwald kann man bei geführten Moorwanderungen tief in ein faszinierendes Ökosystem eintauchen – und das Moor im Anschluss verkosten.
Ausblick auf Moor in Bregenzerwald
©

CorneliaKriegner-BregenzerwaldTourismus

Hochdeutsch ist sehr schwer für eine Wälderin wie mich, aber ich gebe mein Bestes“, sagt Silvia Raid zur Begrüßung und stellt dann gleich die erste Fangfrage: „Was ist der Unterschied zwischen einem Hoch- und einem Niedermoor?“ Um es vorwegzunehmen: Die Höhenlage ist es nicht. „Das Hochmoor wird ausschließlich von Regenwasser gespeist, es hat keinen Zugang mehr zum Grundwasser“, erklärt Moorführerin Silvia. Im Jahr 2008 entwickelte die Gemeinde Krumbach im nördlichen Bregenzerwald das Projekt Moore. Als Teil des bis ins Allgäu reichenden, grenzüberschreitenden Naturparks Nagelfluhkette suchten die Krumbacher eine zündende Idee für eine nachhaltige Entwicklung. Ein griffiges Überthema, in das alle Aktivitäten der Gemeinde eingebunden werden konnten. Fündig wurden sie in ihren Mooren. Insgesamt 14 schützenswerte Biotope befinden sich in der sanft gewellten Landschaft. Sie umgeben das Dorf mit seiner weilerartigen Siedlungsstruktur wie ein Moormosaik. Doch was genau ist eigentlich ein Moor? Befragt man Wikipedia, so handelt es sich dabei um dauerhaft vernässte Feuchtgebiete mit einer charakteristischen, niedrigen Vegetation. Der ständige Wasserüberschuss hält den Boden sauerstoffarm und verhindert den vollständigen Abbau der pflanzlichen Reste, die als Torf abgelagert werden. „Was das Moor einschließt, wird unweigerlich konserviert“, bringt Silvia Raid es auf den Punkt. „So kann man in den Moorschichten erkennen, welche Pflanzen in vergangenen Jahrhunderten vorherrschend waren.“ Eine Art prähistorisches Archiv sozusagen. Entstanden sind die Krumbacher Moore nach dem Rückzug der Gletscher seit den letzten Eiszeiten vor circa 10 000 Jahren. Im Sommer bietet die Gemeinde jeden Donnerstagmorgen eine geführte Moorwanderung an, die von den Tennisplätzen am Ortsrand als Erstes zu einer Niedermoorwiese führt. Der Unterschied zur entwässerten, gedüngten Viehweide, wie sie direkt gegenüberliegt, ist deutlich. „Wir haben hier eine viel größere Blühvielfalt, auch weil diese Wiese erst im Herbst gemäht werden darf“, erklärt Raid. 

Schmetterling
© Alexa Christ

ES ÜBERLEBT, WER SICH ANPASSEN KANN 

Es sind hoch spezialisierte Ausnahmekönner, die auf den nährstoffarmen, sauren Böden ein Auskommen finden. Man nehme zum Beispiel das absolut faszinierende Torfmoos, den „Baumeister“ der Moore. Eine intakte Pflanze lebt teilweise und ist teilweise tot. Wie so etwas geht? Der untere Teil der Pflanze ist wegen Lichtmangel abgestorben und im Moorwasser konserviert. Nur am oberen Teil, dem Pflanzenköpfchen, findet Wachstum statt – circa 15 Zentimeter pro Sommer. Doch dann kommt der Winter. Die wassergetränkten Teile sterben ab, fallen in sich zusammen. „Damit reduziert sich das Wachstum auf einen Millimeter pro Jahr“, erläutert Raid. Es braucht also schon tausend Jahre, bis ein Moor um einen Meter gewachsen ist. Über Torfmoose allein ließe sich ein ganzer Vortrag halten. Sie können mehr als 30 Prozent ihres Eigengewichts an Wasser speichern. Sie kommen ohne Wurzeln und ohne echtes Gefäßsystem aus, doch ihre Zellwände wirken als Ionentauscher, die dem Moorwasser die letzten Nährstoffe entziehen. Dadurch wird es derart sauer, dass es für andere Pflanzen eine lebensfeindliche Umgebung darstellt. Einer, der sich davon jedoch nicht beeindrucken lässt, ist der Sonnentau. Da aus dem Boden an Nährstoffen nichts zu holen ist, lauert er einfach auf Insekten, die er mit den Klebedrüsen an seinen Blättern einfängt. Das Sekret, das er absondert, erstickt die Tiere. Danach kommen Enzyme ins Spiel, die die Beute langsam zersetzen und die darin enthaltenen Nährstoffe herauslösen. Wer ganz viel Zeit hat, kann sich dieses kleine Grusel-Schauspiel der Natur anschauen. In der Salgenreute, dem mit fünf Hektar größten Krumbacher Moorbiotop, begegnet man der fleischfressenden Pflanze. Hier hat der Bregenzerwälder Architekt Bernardo Bader den Moorraum geschaffen – eine Art offene Landschaftsvitrine aus Holz. Sie bietet einen Blick auf Adlerfarn, Pfeifengras, Mädesüß und Moorbirken. Wer will, kann hier die Schuhe ausziehen, im Moor kneippen und den feuchten Boden barfuß spüren. „Moore sind ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Ökosystems“, erklärt Silvia Raid an dieser Stelle. „Sie fungieren als Wasserspeicher und Hochwasserschutz, verbessern die Luftqualität und speichern CO2. Weltweit gibt es nur noch drei Prozent Torfmoose, doch die speichern mehr Kohlenstoffdioxid als der ganze globale Baumbestand!“ 

Blumen im Moor
© Alexa Christ

DAS MOOR AUF DEM TELLER 

Umso bedenklicher stimmt es, dass die Zerstörung der Moore weiter voranschreitet. Torfmoos etwa wird noch immer industriell verarbeitet – als Verpackungsmaterial und in Blumenerde, als Füllmaterial von Kopfkissen und sogar als Saugeinlage von „Öko-Windeln“. Wie gut, dass sie in Krumbach einen viel besseren Weg gefunden haben, ihre Moore zu nutzen. Neben den höchst spannenden und genauso lehrreichen Moorführungen bringen sie das Feuchtbiotop sogar auf den Teller. Drei „Moorwirte“ zaubern die ein oder andere Köstlichkeit aus Moorzutaten. Gabi Strahammer gehört dazu. In der alten Schule, in der sie selbst noch die dritte und vierte Klasse besuchte, hat sie ihr Restaurant eingerichtet. Von dort sind es nur wenige Schritte bis ins Moor. Im Frühjahr sammelt sie hier Sauerampfer und Sauerklee. Die feine Säure passt gut zu Eis, Suppe und Salat. Im Herbst pflückt sie Moorbeeren. „Die sieht man erst, wenn alles abgemäht ist, weil sie ganz unten in den Wassermulden wachsen“, sagt die Spitzenköchin, die kurz mal überlegen muss, wie viele Hauben – das österreichische Pendant zu den Michelin-Sternen – sie eigentlich grade besitzt? Drei sind es, und das heißt: Das „Schulhus“ ist allererste Adresse in Sachen Kulinarik. Egal ob Brot aus Eichelmehl oder Ziegenkäse mit Bucheckernkruste und Löwenzahnkapern, bei Gabi Strahammer entdeckt der Gaumen ganz neue Geschmacksnoten. Ein kleiner Geheimtipp ist ihre saisonale Moor-Limonade. Die Zutaten können variieren – Mädesüß ist auf jeden Fall dabei, auch Moorbeeren, Holunder, Kornelkirsche, Waldmeister und wilder Thymian finden ihren Weg hinein. Es ist die schönste und unbedenklichste Art, die Krumbacher Moore mit nach Hause zu nehmen – in Flaschenform. 

Person in Hütte mit Moorblick
© Alexa Christ

entdecken

WANDERN IM NATURPARK NAGELFLUHKETTE 

Üppiges Grün und sanfte Wellen laden zum genussvollen Wandern im Naturpark Nagelfluhkette ein, der sich grenzüber greifend über den Bregenzerwald in Österreich und das Allgäu in Deutschland erstreckt. Egal ob Touren auf die bis zu 1800 Meter hohen Berge, über Hochebenen oder durch die Flusstäler – es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ein besonderes Erlebnis sind die Touren mit einem Naturpark Ranger unter dem Motto „Mit dem Ranger unterwegs“. So stehen jeden Sommer unterschiedliche Themenwanderungen auf dem Programm, etwa ins Reich der Steinadler, in die Welt der Amphibien oder zum Erlernen der geheimen Sprache der Blüten.  

Infos unter: nagelfluhkette.info/infozentrum 

schmecken

MORGENDÄMMERUNG IM MOOR UND MOORFRÜHSTÜCK 

Drei Krumbacher Gastronomen nehmen sich kulinarisch des Themas Moor an: der Gasthof „Adler“, die „Krumbacher-Stuba“ und das Restaurant „Schulhus“. Die Moorwirte verfeinern Speisen und Getränke mit Pflanzen, Beeren und Kräutern, die im Moor gedeihen. In den Sommermonaten warten die Moorwirte mit einem besonderen Erlebnis auf: Jeweils am ersten Samstag im Juni, Juli und August startet bei dem jeweiligen Wirt um 6 Uhr morgens eine geführte Moorwanderung, die gegen 8 Uhr ihren Abschluss mit einem feinen Frühstück beim Moorwirt findet. Wetten, dass die berühmte Moor-Limo dabei nicht fehlen darf?  

Infos unter: krumbach.at 

Die Anmeldung findet bei den jeweiligen Moorwirten statt. 

wandern

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