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12 Minuten

Die Wallonie

Zwischen den Flüssen Sambre und Maas finden sich einige der schönsten Dörfer der Wallonie, wahre Naturschätze, Tierretter, Adlige und Schafe, die auf ihren großen Auftritt warten.
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©

Daniel Elke

Sie haben einfach den Namen der Landschaft bekommen, in der sie einst weitverbreitet waren, die „Entre-Sambre-et-Meuse-Schafe“. Ein etwas nüchterner Name für eine Rasse, die sich unter anderem durch einen bunt gefleckten Kopf auszeichnet. Ich stehe mitten in einem Stall zwischen gut zwei Dutzend der blökenden Tiere und beobachte, wie Schäferin Lise Piron ihr Werkzeug schärft. Morgen sollen die Schafe geschoren werden, zum ersten Mal. Denn die- se kleine Herde ist, genau wie das Naturschutzgebiet, in dem sie grasen werden, noch sehr jung. Während ich versuche, eines der Tiere für ein Foto zu begeistern, beendet meine Wanderführerin Teatske ein Telefonat und schaut mich mit großen Augen an „… Das Schloss hat angerufen. Der Prinz wartet auf uns!“ Es wirkt, als hätten selbst die Schafe den Atem angehalten und das Wiederkäuen beendet. Während wir aus dem Schafstall in Couvin stürmen und über den schnellsten Weg zum Schloss von Chimay beratschlagen, gehen mir einige Fragen durch den Kopf. Insbesondere, welche Strafe im Mittelalter dem ein- fachen Bürger wohl drohte, wenn er sich zu einem Treffen mit einem Prinzen verspätete und dabei auch noch so aussah, wie man eben aussieht, wenn man in einem Stall zwischen einer Herde Schafe gehockt ist. Wir erreichen das herrschaftliche Schloss von Chimay mit seinem markanten Zwiebelturm. Im Haupteingang steht Schlossherr Prinz Philippe, und sein freundliches Lächeln macht schnell klar: Der Kerker wird mir erspart bleiben. Der sympathische Prinz teilt das entspannte und freundliche Gemüt seiner wallonischen Landsleute. Er führt uns persönlich durch sein Zuhause und berichtet von der bewegten Geschichte seiner Familie, des Schlosses und der Region, die mitten in Europa liegt, aber dennoch durch ihre Idylle in der Abgeschiedenheit begeistert. Es wundert also nicht, dass die belgische Vereinigung „Les Sentiers de Grande Randonnée“ in dieser Landschaft einen Fernwanderweg konzipiert hat – den GRP 125.

Bevor ich durch die imposanten Räume und Säle des Schlosses ge- führt wurde, hat meine Reise in Lompret begonnen, einem der schönsten Dörfer der Wallonie, die sich durch Tradition, Architektur und ländlichen Charakter auszeichnen. Erfüllt ein wallonisches Dorf unter anderem diese Kriterien, kann es in die Gemeinschaft der „Les Plus Beaux Villages de Wallonie“ aufgenommen werden, der schönsten Dörfer der Wallonie. Ein guter Ausgangspunkt also, um den GRP 125 zu erkunden, der auch durch Lompret führt. Ich treffe mich mit meiner Führerin Teatske Burgerjon im weithin sichtbaren Zentrum des Dörfchens, der Kirche Saint-Nicolas. Die Kirche ist, wie viele andere Bauten im Dorf, aus grauen Natursteinen gebaut, die mit den Jahrzehnten eine urige grünliche Patina angesetzt haben und so dem ganzen Ort eine romantische Vergangenheit anhaften lassen. Trotz des beträchtlichen Alters des Ortes befinden wir uns in einem sehr jungen Naturschutzgebiet, wie mir Teatske bei unseren ersten Schritten berichtet. Im Jahr 2022 wurde der „Parc National de’l Entre-Sambre-et-Meuse“, der Nationalpark zwischen Sambre und Maas, begründet. Das ambitionierte Ziel der Gründer ist es, durch eine gezielte Renaturierung die große Biodiversität der Region zu stärken, die Menschen wieder enger mit der Natur zu verbinden und den Park durch einen nachhaltigen Tourismus erlebbar zu machen. Es gibt also viel zu tun, aber die Motivation ist bei allen Beteiligten mehr als hoch.

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© Daniel Elke

ZU GAST BEIM EREMITEN

Unsere Wanderung hat gerade erst begonnen und wir stoppen nach den ersten Metern auf dem Waldpfad, der uns aus Lompret herausführt. Teatskes Blick fällt auf eine steinerne Bodenplatte, die den Zugang auf ein Grundstück neben dem Weg markiert. Deutlich erkennen wir das Wort „Pax“, lateinisch für Frieden, dort eingraviert, gefolgt von einigen weiteren undeutlichen Buchstaben. Im Gebüsch des verwilderten Geländes regt sich eine Person und wird direkt mit einem charmanten „Bonjour“ von Teatske begrüßt. Es ist, wie sich herausstellt, ein Bekannter von ihr, der dieses Grundstück wieder auf Vordermann bringen möchte. Denn hier hat einst ein Eremit gelebt, der unten in der Dorfkirche gewirkt und gepredigt hat. Aber auch hier, mitten im Wald, wo er in einer einfachen Hütte gelebt hat, kamen die Gläubigen zu ihm und es wurden Messen gehalten. Eigens dafür hatte der Eremit einen Altar gefertigt, der im Freien stand und nun halb verwildert wiederentdeckt wurde. Ein weiterer Beweis dafür, dass der katholische Glaube für das gesamte Land schon immer sehr wichtig und prägend war. Schließlich war es die Abspaltung der südlichen Provinzen vom vorwiegend protestantischen Norden der Vereinigten Königreiche der Niederlande, die Anfang des 19. Jahrhunderts zur Gründung des Staates Belgien führte. Nach diesem interessanten Stopp führt uns der Weg weiter durch den Wald von Blaimont. Über naturbelassene Pfade geht es auf und ab, bis wir an einer Kreuzung den Fluss „Eau Blanche“ erreichen. Etwas neben dem Flussufer steht die Ruine eines Gebäudes, das diese Region wortwörtlich geformt hat. Es handelt sich nämlich um eine alte Schmiede, für deren Betrieb ein Damm errichtet wurde, um genug Wasser anzustauen, damit ein Wasserrad die Hämmer im Inneren der Schmiede antrieb. Der so angestaute See von Virelles, dem nächsten Örtchen hier, ist heute zu einem der wichtigsten Ökosysteme im ganzen Naturpark geworden. In seinem Schilfgürtel brüten Vögel ebenso wie auf den kleinen Inseln im See und in den umliegenden Wiesen. Im angrenzenden Wald kann sich die heimische Fauna ohne Einfluss des Menschen frei entwickeln. Außerdem bildet der See den Übergang zwischen zwei der drei wichtigen Landschaftsformen der Region. Fagne, Calestienne und Ardennen bilden hier das Landschaftsbild. Die Fagne, oder das Venn, im Norden geht über in die Calestienne, eine Landschaft, die sich durch ihre sanften Hügel und Kalksteinwiesen auszeichnet. Im Süden erheben sich die Ardennen, das bestimmende Mittelgebirge Walloniens. Wir folgen der Eau Blanche zurück bis Lompret. Im Restaurant, das den gleichen Namen wie der Fluss trägt, stärke ich mich für den weiteren Weg mit einer regionalen Spezialität: „Lapin à la Trappiste“, Hasengulasch in einer Trappistenbiersauce mit – was sonst? – belgischen Fritten. Beim Essen planen wir die weiteren Programmpunkte des Tages, wie den Besuch der Schafherde und die Führung durch das Schloss Chimay, und ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist noch mehr als genug Zeit … vermeintlich.

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© Daniel Elke

DIE PFLEGER DER CALESTIENNE

Wer in naher Zukunft den GRP 125 bewandert, wird dabei nicht selten den Schafen über den Weg laufen, die ich nach meiner Wanderung in ihrem Stall in Couvin kennenlerne. Eigentlich werden es ihre Nachkommen sein, denn aus dieser kleinen Herde von knapp dreißig Tieren sollen bald drei- bis vierhundert werden. Früher waren sie ein prägendes Bild in der Landschaft, doch ihre Haltung war vielen Schäfern zu unwirtschaftlich, da sie nicht so viel Wolle oder Fleisch wie andere Rassen liefern. Befreit vom Effizienzanspruch der Viehwirtschaft sieht der Naturpark es natürlich als seine Aufgabe an, diese alte Rasse wiederzubeleben. So finden die Schafe ihre Aufgabe in der Pflege der Kalksteinwiesen der Calestienne und werden so wieder in der Region sichtbar. Weithin wahrnehmbar ist seit eh und je auch der markante Zwiebelturm des Schlosses von Chimay. Nachdem der Schreck über unsere Verspätung der Freude über die herzliche Führung und die Erzählungen von Prinz Philippe gewichen ist, bin ich überwältigt von den spannenden Geschichten über die Familie Riquet de Caraman-Chimay, während ich von einem imposanten Raum in den nächsten geführt werde. Mein Kopf schwirrt geradezu von den vielen Eindrücken und Anekdoten aus der Weltgeschichte, an der dieser Ort, mitten in Europa, ebenfalls immer teilhatte. Im Guten, wie aber auch im Schlechten. Doch Prinz Philippe und Prinzessin Françoise werden nicht müde, das Schloss mit dem Finger am Puls der Zeit zu führen und dabei seine Geschichte in Ehren zu halten. Dies zeigt sich in Restaurationsarbeiten, die wir beobachten dürfen, aber auch in zeitgenössischen Freizeitangeboten wie einer Mini golfanlage oder eines Escape-Room-Spiels, das man hier buchen kann.

KÄSE UND BIER, DAS RATE ICH DIR

Nach einem Tag voller unterschiedlichster Eindrücke wird es Zeit, den Abend einzuläuten. Eine besonders gute Möglichkeit, dabei auch das lokale Bier zu kosten, bietet die „Auberge de Poteaupré“, ein Hotel mit Restaurant und angeschlossenem Museum, das die Geschichte und Tradition des Trappistenbiers erzählt. Die Trappisten leben unweit des Hotels in der Abtei Notre-Dame de Scourmont und brauen einerseits Bier, stellen aber auch Käse her. Beides passt tatsächlich sehr gut zusammen und schafft die besten Voraussetzungen für einen ruhigen Schlaf. Am folgenden Tag lohnt es sich, ausgeschlafen zu sein, denn ich besuche das Naturzentrum Aquascope am See von Virelles. Nachdem ich die einmalige Landschaft am Vortag kennengelernt habe, möchte mir Geneviève Mertens das Reservat zeigen und von der Tierwelt berichten. Haubentaucher, Komorane und sogar Seeadler kann man hier mit etwas Glück sehen. Der ganze Stolz der Tierschützerin sind aber die Störche, die hier ihre Nester gebaut haben und ihre Jungen großziehen. Beobachten lassen sich die Vögel von mehreren Aussichtsplattformen, die auf dem ganzen Gelände verteilt liegen. Doch das Reservat dient nicht nur dazu, den Besuchern etwas zu bieten, sondern verfolgt auch ganz konkrete Aufgaben des Artenschutzes. So führt mich Geneviève zur Wildtierklinik des Reservats und berichtet mir von vier jungen Eichhörnchen, deren Nest leider zerstört wurde und die kurz vor dem Hungertod standen. Die vier wurden gefunden und hier in der Klinik wieder fit für die Freiheit gemacht. Nun sollen sie im „Soft Release“-Verfahren ausgewildert werden. Dies bedeutet,dass ihr Gehege geöffnet wird, sie dieses selbstständig verlassen können und über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen immer wieder in das Gehege zurückkehren dürfen, bis sie sich an das neue Leben gewöhnt haben. Die Tierpflegerin nimmt sich eine kleine Leiter, steigt darauf und öffnet ein kleines Türchen an dem Holzverschlag. „Das war es schon“, sagt sie beim Herabsteigen. Die Eichhörnchen können nun über ein gespanntes Seil direkt in die Bäume klettern und müssen lernen, sich selbst zu behaupten. Der Zimmernachbar könnte für sie dabei zur Gefahr werden, denn seit Kurzem ist auch eine Eule als Patient in der Klinik.

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© Daniel Elke

AM GRAND CANYON VON BELGIEN

Nachdem ich so viel Informationen über den Naturpark zwischen Sambre und Maas erfahren habe, freue ich mich nun sehr darauf, ein Highlight der Landschaft und des GRP 125 zu besuchen. Die „Fondry des Chiens“, ist eine Schlucht, die auch gerne als der kleine Grand Canyon von Belgien bezeichnet wird. Startet man in dem Örtchen Nismes und erklimmt den ersten Hügel am Ortsrand, staunt man nicht schlecht, wenn sich der Boden vor den Füßen öffnet und die steilen Felswände ganz unvermittelt zum Vorschein kommen. Da hier nichts den Blick auf das Naturschauspiel behindert, auch kein Zaun, sollte eine gewisse Vorsicht beim Erkunden der Schlucht gewahrt werden. Folgt man dem GRP 125 ab hier weiter in östliche Richtung, trifft man früher oder später an seine natürliche Grenze, die Maas. Der Weg führt ab hier in nördlicher Richtung bis nach Namur, wo die Sambre in die Maas fließt, und wendet sich dann nach Südwesten, bis der Pfad den Kreis wieder schließt. Vorher lohnt es sich aber unbedingt, einen längeren Aufenthalt in Dinant einzuplanen. Die Festung, Schlösser und das einzigartige Panorama der Stadt vor der Felswand lohnen es, einen Tag das Wandern zu pausieren und neue Kräfte zu sammeln. Nicht weit von hier schlage ich für die Nacht, im wahrsten Sinne, mein Zelt auf. Um ehrlich zu sein, wurde das Tipi-Zelt vom Hotel „Les Sorbiers“ aufgebaut und bietet seinen Gästen dadurch die Gelegenheit, ganz naturverbunden und dennoch stilvoll und gemütlich direkt an der Maas zu nächtigen. Ich lausche dem Fließen des Wassers und finde, es könnte keinen passenderen Ort geben, um meine Reise zwischen Maas und Sambre ausklingen zu lassen.

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© Daniel Elke
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© Daniel Elke

wandern

DER GRP 125

Der Fernwanderweg GRP 125 macht die Landschaft zwischen den Flüssen Sambre und Maas auf insgesamt 271 Kilometern in zwölf Etappen erlebbar. Da die Route ein Rundwanderweg ist, können die Etappen und Übernachtungen frei geplant und zusammengestellt werden. Drei Landschaftstypen prägen den Weg besonders: das Venn, die Calestienne und die Ardennen. Aber auch Kulturelles kommt nicht zu kurz, denn charismatische Städte wie Dinant und Namur sind in Reichweite der oft abgeschieden anmutenden Landschaften im Süden Belgiens. Besonders ist auch der junge Nationalpark Entre Sambre et Meuse, dessen Schutzgebiete die Route im südlichen Teil durchquert. Bis 2040 soll es hier geschafft werden, ein völlig intaktes Natur- und Ökosystem entstehen zu lassen und dieses durch einen respektvollen, langsamen Tourismus erlebbar zu machen.

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© Daniel Elke

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SPEZIALITÄTEN DER TRAPPISTEN

„Ora et labora“, bete und arbeite, nach diesem Motto richten die Mönche vom Orden der Trappisten ihr Leben aus. Vorwiegend zurückgezogen von der Außenwelt leben die Trappisten in ihren Klöstern und widmen sich in strengen Tagesabläufen ihren Gebeten, aber auch der körperlichen Arbeit. Das weltliche Schaffen der belgischen Trappisten ist weit über die Grenzen Belgiens hinaus bekannt. Bier und Käse sichern schon seit langer Zeit das Auskommen und den Erhalt zahlreicher Klöster. In der Wallonie sind gleich mehrere Klöster des Ordens angesiedelt, und somit findet sich in den Bars und Restaurants eine entsprechend große Auswahl der Trappistenbiere wieder, wie das Bier aus Chimay, Rochefort oder Orval. Doch Vorsicht beim Probieren, denn je nach Sorte können diese zum Teil einen hohen Alkoholgehalt haben. Verköstigt wird das Bier oft mit dem passenden Käse der Mönche, was zu dem dunklen und aromatischen Getränk eine wirklich leckere Ergänzung ist. „Trappisten“ ist übrigens eine umgangssprachliche Bezeichnung, offiziell nennt sich der Orden „Zisterzienser der strengeren Observanz“, was nur schwer über die Lippen geht, wenn man mehr als eines der Biere probiert hat.

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