Dunkles Gestein türmt sich auf einer Lichtung. Gekrönt von einem großen Kreuz überragt der Kegel die Baumkronen ringsum. Wie ein riesenhafter Mönch, der seine Kutte ausbreitet. Fast furchteinflößend, etwas geheimnisvoll, auf jeden Fall beeindruckend. Die frühe Morgensonne blinzelt durchs Buchenlaub. Sie bringt die obersten der fünf- oder sechseckigen Säulen zum Leuchten. Von Grund auf stapeln sie sich, streben himmelwärts, lehnen sich nach innen. Als müssten sie sich gegenseitig stützen, damit der Haufen nicht zusammenfällt. Doch sie sind felsenfest, aus knallhartem Basalt.
Der Nationale Geotop Druidenstein ist das Wahrzeichen des Druidensteigs. Da der Weitwanderweg auf seinen gut 83 Kilometern drei Geoinformationszentren des Nationalen Geoparks Westerwald-Lahn-Taunus und zahlreiche Stationen zu historischem Bergbau und Bodenschätzen verbindet, formen die sechs Etappen gleichzeitig Deutschlands längste zertifizierte Georoute. Von der Freusburg über dem Siegtal bis nach Hachenburg windet sie sich durch die nördliche Ecke des Westerwalds. Vier Kilometer vor dem Druidenstein erklimmen 102 Stufen den Ottoturm. Jede hat einen Paten – die dritte sponserte der Schornsteinfegermeister aus Herkersdorf. Oben verschleiert noch Frühnebel den Blick über die sanften Höhen, die aus dem Siegtal steigen. Zwischen den Städten Kirchen und Wissen pulsierte hier einst die Montanindustrie. Die GeoBlick-Tafel verrät, dass das Rundum-Panorama weit über den Westerwald hinaus, von der Osteifel zur Kölner Bucht bis ins Rothaargebirge reicht. Auf einem Sporn gegenüber leuchtet als gelber Punkt die Freusburg. Von dort, wo Grafen lange die Geschicke der Region bestimmten, nimmt der Druidensteig seinen Lauf.
Er quert Bachtäler, die sich zwischen die sanften Kuppen kerben, kommt an etlichen Gruben und Basaltbrüchen vorbei, in denen wieder Grün wuchert. Am Ende der fünften Etappe lohnt sich ein Abstecher unter Tage: Pro Waggon passen acht Personen auf die Bänkchen der schmalen, niedrigen Grubenbahn. Auf den Türen sitzen Gitter anstelle von Fensterglas. Mit einem Rattern schiebt der Lokführer sie zu. Er steckt in einem weißen Anzug, an dem polierte Messingknöpfe blitzen. Auf dem weißen Helm kreuzen sich Hammer und Schlägel, umrahmt von der Aufschrift: „Grube Bindweide Steinebach-Sieg“. Mit einem „Glück auf“ setzt er sich auf die Lok und fährt ein in den Stollen. Über 200 Jahre förderte man hier Eisenerz. 1931 war Schluss. Gut 55 Jahre dauerte es bis zur Reanimation als Besucherbergwerk. Auf der letzten Etappe geht es zunächst hoch hinaus: Dem Förderturm eines Harzer Erzbergwerks hauchte man als Aussichtsplattform ein zweites Leben ein. Als Barbaraturm beschert sie von der Steineberger Höhe den nächsten GeoBlick. Sechs Kilometer weiter steigt der Druidensteig über drei Leitern nochmals tief hinab. Mitten im Wald bietet ein hallendes, tröpfelndes Erdloch an heißen Tagen angenehme Abkühlung. Glatte, abgeschlagene Wände deuten an: In der Dachschiefergrube Assberg wurde im Mittelalter Tonschiefer gehauen. Dachschindeln daraus deckten auch das Kloster Marienstatt ein, das nach einem steilen Abstieg ins Tal der Großen Nister auf dem Weg zum Druidensteig-Ziel Hachenburg liegt.
GEMEINSAM MIT DEM WESTERWALDSTEIG
An dieser historischen Dachschiefergrube Assberg trifft der Druidensteig auf einen anderen Weitwanderweg, mit dem er zwischen der Abtei Marienstatt und Hachenburg sogar gemeinsam läuft: den Westerwaldsteig. Mit rund 240 Kilometern der längste der drei Qualitäts Weitwanderwege im Westerwald und einer der Top Trails of Germany. Von Herborn zieht er durch den Hessischen Westerwald über die Fuchskaute, die höchste Erhebung im Westerwald. Gen Westen läuft er an Westerwälder Seenplatte und Wiedquelle vorbei zum Stöffel-Park, einem denkmalgeschützten Ensemble. Dort verbinden Förderbänder mehrere Basaltbrecher, dahinter begleiten Kunstinstallationen und rostige Relikte anstelle von Staub und Detonationen den Rundgang durch den Bruch. Auch wenn weiter hinten immer noch ein Bagger am Stöffel kratzt. Berühmt wurde der Berg durch die Stöffelmaus aus dem Tertiär: Unter der Haube aus Basalt blieb sie so gut erhalten, dass sich sogar noch die Gleithäute zwischen Vorder- und Hinterläufen spannten. Die Große Nister führt den Westerwaldsteig in die Kroppacher Schweiz. Später trifft er erneut auf die Wied und begleitet sie ein Stück durch ihr spannendes Tal, bevor er nach Südwesten schwingt – erst aussichtsreich um den „Kraterrand“ des Basaltabbaus am Malberg, dann nach Bad Hönningen am Rhein. An der sechsten Westerwaldsteig-Etappe blickt Christoph Bröder von einem hölzernen Beobachtungs- Hochsitz durch sein Spektiv auf den Dreifelder Weiher, den größten von sieben angestauten ehemaligen Fischteichen. Sie bilden auf einer welligen Hochfläche die Westerwälder Seenplatte. Der Vogelkundler aus der Nähe von Montabaur ist äußerst gut gelaunt. Nicht nur, dass eben noch ein Schwarzstorch vor seiner Nase kreiste. „Die Weißbartseeschwalben sind gerade wieder aufgestiegen“, sagt er, „die habe ich vorher noch nie gesehen.“ Schilf und Wald säumen den See. Mit solch unterschiedlichen Lebensräumen ziehen die Weiher viele und seltene Vogelarten an – ob sie brüten oder sich für den Weiterflug auf ihrem Zug stärken. Bröder steuert heute gezielt solche Vogel-Hotspots an. Früher ist er mehr gewandert, kennt alle Wäller Touren, wie die zertifizierten Rund- und Tageswanderwege im Westerwald heißen. Auch vom Westerwaldsteig zweigen mit den Erlebnisschleifen kürzere Rundwege ab. Ein Stück hinter dem Beobachtungsturm überquert der Westerwaldsteig die Wied, kurz bevor sie sich im Weiher ergießt. Bröder vermutet, dass der Schwarzstorch hier flussaufwärts fliegt, um zu fressen. Auch der Wiedweg nutzt diese Brücke. Dieser dritte Etappenwanderweg im Westerwald folgt dem längsten Fluss der Region von seiner Quelle bis zur Mündung.
URSPRUNG DER WIED
Unter einer Linde am Rande des Örtchens Linden rinnt die Wied unter einem Eisengitter in eine trogförmige Wanne aus Naturstein. Als der Wiedweg kurz vor dem Friedhof wieder zu ihr stößt, ist das Bächlein keine Armlänge breit. Der Pfad schwingt neben ihr. Das Wasser gluckst um die bemoosten Steine im sandig-erdigen Bett. Die Bäume treten mal mehr, mal weniger dicht an ihre Mini-Mäander. Nun müsste man schon einen weiten Schritt springen, um hinüberzukommen, und bei der Mündung in den Dreifelder Weiher braucht es dafür schon die Brücke. Der Wiedweg verläuft weiter am Seeufer. Die Wurzeln dicker Eichen kriechen bis ans Wasser, knäkende Wasservögel bauen im Schilf Verstecke. Hinter dem Weiher reichte die nun sprudelnde Kraft der Wied, die Wiesen über Gräben zu bewässern. So verhalf sie den Bauern zu etwas mehr Wohlstand. In der zweiten Hälfte ihres mehr als hundert Kilometer langen Laufs kurvt sie als stattlicher Fluss zwischen steilen Hängen durch ihr enges Tal. Der Wiedweg folgt ihr – allein oder in einer Spur mit dem Westerwaldsteig, mal am Ufer, mal auf der Höhe, wo Aussichtsklippen wie die Weißenfelser Ley fast senkrecht über dem Fluss lauern. Hinter Weißenfels wellen sich Bilderbuch-Wiesen auf der Hochfläche. Mittendurch bahnt sich der Weg. Rechts pest ein Fuchs mit buschigem Schwanz den Hang hinab, links hüpfen zwei Rehe kängurugleich durchs hohe Gras. Von irgendwo tönt eine Kirchenglocke, dazu Vogelkonzert. Diese Stimmung meint Martina Weingarten wahrscheinlich, wenn sie sagt, hier im Wiedtal könne man so wunderbar mal das Tempo rausnehmen. Die Wandergastgeberin aus Roßbach streift meist mit ihrem Hund durch die Natur. Sie mag es, wenn sich im Frühjahr noch das filigrane Geäst der Auenbäume hinter zartgrünem Blätterschleier abzeichnet. Eine ihrer Lieblingsstellen ist das Tal entlang des Wallbachs. „Sein Klang ändert sich mit der Wassertemperatur“, sagt sie, „mir gefallen seine Sinfonien besonders, wenn es kälter wird.“ Wo Wiedweg und Westerwaldsteig den Wied- Zufluss kurz begleiten, gibt es eine kleine Kostprobe der quirligen Bach-Sonate. Aus dem Wallbachtal steigt der Westerwaldsteig wieder an, pirscht als Pfad unter stattlichen Buchen, bis der Wald auf der Höhe über Waldbreitbach den Blick freigibt. Auf liebliche, von Laubwald und Wiesen begrünte Buckel, zwischen die sich immer wieder Bachtäler schneiden und spannendes, bewegtes Gelände formen. Manch Buckel trägt ein Häubchen. Wie über Roßbach, wo ein alpin angehauchter Steig auf die Spitze aus übereinandergestapelten Basaltsäulen klettert. Auch hier trotzte das Vulkangestein, zu dem die Lavaströme der einst feuerspeienden Gegend erstarrten, den verwitternden Kräften besser als der Schiefer des Rheinischen Schiefergebirges.
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DIE DREI WEITWANDERWEGE
Drei Weitwanderwege streifen durch den Westerwald: Westerwaldsteig, Wiedweg und Druidensteig sind als „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ zertifiziert.
Karten mit ihrem Streckenverlauf finden sich auf: westerwald.info
Westerwaldsteig
- Strecke: etwa 240 km, gut 4600 hm Aufstieg, 16 Etappen zwischen 7 und 21, meist 12 bis 17 km
- Start: Marktplatz, 35745 Herborn an der Dill
- Ziel: Römerwelt am Caput Limitis, 56598 Rheinbrohl-Arienheller
- Charakter: Vom Hessischen Westerwald zieht der Weg über die höchste Kuppe des Mittelgebirges, die Fuchskaute. Steiler wird das Gelände entlang der Flüsse Nister und Wied, wo der Weg hinter Waldbreitbach über den Malberg zum Rhein schwenkt.
- Tipps und Tourenplanung: westerwald.info/westerwaldsteig
Wiedweg
- Strecke: 118 km, knapp 2000 hm Aufstieg, sieben Etappen zwischen 10 und 19 km
- Start: Westerwald-Brauerei, Am Hopfengarten, 57627 Hachenburg
- Ziel: Wiedmündung in 56567 Neuwied-Irlich (Kurtrierer Straße 24)
- Charakter: Von der Quelle bis zu Mündung in den Rhein begleitet der Wiedweg den längsten Fluss im Westerwald.
- Tipps und Tourenplanung: westerwald.info/wiedweg
Druidensteig
- Strecke: 83 km, gut 2000 hm Aufstieg, sechs Etappen, meist 13 bis 17 km, eine mit 9 km
- Start: Freusburg, Burgstraße 11, 57548 Kirchen-Freusburg
- Ziel: Landschaftsmuseum Hachenburg, Leipziger Straße 1, 57627 Hachenburg
- Charakter: Als Georoute steuert der Druidensteig im Nationalen Geopark Westerwald-Lahn-Taunus ehemalige Bergwerke und geologische Besonderheiten an.
- Tipps und Tourenplanung: westerwald.info/druidensteig